Exponate
2020
Jülich, Stolberg
Bildung

„PBS – Plastik aus Holz“: Neue Themenstation im TouchTomorrow-Truck zeigt Schüler*innen spielerisch sinnstiftende Anwendungen von Chemie-Schulstoff und fördert ihre Kreativität!

Dr. Hans Riegel-Stiftung, Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung (IAP), Designatelier Rolf Rongen und weitere Partner erstellen eine interaktive Themenstation, die Schüler*innen zeigt, wie durch chemische Prozesse aus Holz biologisch abbaubarer Kunststoff werden kann. Plastik aus Holz?! Ja, genau diese anfängliche Irritation ist der Schlüssel für einen nachhaltigen Wissenstransfer…

Kunststoff ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Über 400 Millionen Tonnen werden davon jährlich produziert. Als Plastikmüll gelangen sie ins Meer, werden dort in kleine Mikropartikel zersetzt und gelangen dann als Mikroplastik zu uns zurück. Denn um abgebaut zu werden, benötigen manche Kunststoffe mehr als 500 Jahre. Für die Herstellung von Kunststoff werden zudem große Mengen des begrenzten Rohstoffs Erdöl benötigt. Höchste Zeit also für eine Alternative. Dafür brauch es kreative Ideen und engagierte Nachwuchsforscher*innen!

Alle Kunststoffe haben eins gemeinsam: Sie sind organische Stoffe, bestehen also aus dem Element Kohlenstoff. Kunststoffe, auch synthetische Polymere genannt, entstehen durch chemische Reaktionen. Dabei fügen sich viele kleine Moleküle, die Monomere, schrittweise zu großen netz- oder kettenförmigen Molekülen, den Polymeren, zusammen. Der Grundbaustein von Plastik, Kohlenstoff, ist nicht nur in Erdöl enthalten, sondern auch in vielen nachwachsenden Rohstoffen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forschen deshalb an Möglichkeiten, Kunststoffe daraus herzustellen, die im besten Fall sogar biologisch abbaubar sind. Als Ausgangsstoffe können Zucker, Stärke und Zellulose das Erdöl ersetzen. Sie werden aus Pflanzen wie Mais, Zuckerrohr oder Kartoffeln gewonnen. Auch Holz eignet sich als Rohstoff. Denn es besteht aus den zwei am häufigsten vorkommenden organischen Verbindungen Zellulose und Lignin. Zellulose ist der Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände und setzt sich aus langen Ketten von Zuckermolekülen zusammen. Lignin wird in die Zellwände der Pflanzen eingebaut und gibt dem Holz Festigkeit. Beide Stoffe fallen zum Beispiel bei der Papierverarbeitung als Abfälle an und stehen nicht in Konkurrenz zum Anbau von Nahrungsmitteln. Damit aus Holz der Biokunststoff Polybutylensuccinat (PBS) wird, sind mehrere chemische Reaktionen notwendig.

Bei einer chemischen Reaktion werden einer oder mehrere chemische Ausgangstoffe (Edukte) in andere Stoffe (Produkte) umgewandelt. Edukt für die Herstellung von Kunststoff aus Holz ist die im Holz enthaltene Zellulose. Spezielle Enzyme zerlegen sie in ihre Einzelbausteine: Zuckermoleküle. Diese wiederum dienen bestimmten Bakterien als Nahrung, die daraus sowohl Bernsteinsäure als auch den Alkohol 1,4-Butandiol herstellen können. Aus diesen beiden Stoffen wird dann in einem chemischen Prozess, der Polykondensation, der Biokunststoff PBS hergestellt. PBS ist zur Verwendung im Lebensmittelkontakt zugelassen und hitzebeständig. Es hat fast die gleichen Eigenschaften wie PE, baut sich aber in sehr schneller Zeit vollständig ab, sogar in Meerwasser.

Mit dem neuen Exponat „PBS – Plastik aus Holz“ möchten wir die Schülerinnen und Schüler spielerisch an diese vielversprechende Alternative aus nachwachsenden Rohstoffen heranführen. Dazu hat die Dr. Hans Riegel-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung (IAP) und dem Designatelier Rolf Rongen sowie der RheinSiteMedia GmbH und IW Medien GmbH eine interaktive Themenstation für den TouchTomorrow-Truck gebaut: 

Über einen Bildschirm oberhalb des Flippers werden die Schüler*innen durch kurze Video-Clips von einer „Chemikerin“ angeleitet: Sie sollen die Laufbahn der Kugel „bauen“, d.h., es fehlen Bausteine, die erst den Gang der Kugel ermöglichen. Im Flipper passiert die Kugel die vier Reaktionsschritte auf dem Weg von Holz zu PBS. Bei jedem Reaktionsschritt müssen die Schüler*innen den richtigen Ausgangsstoff und den richtigen Endstoff der Reaktion aus einer entsprechenden Schublade auswählen. Das Rollen der Kugel simuliert den chemisch-industriellen Prozess und ist zugleich Kontrolle, ob die richtige Kombination ausgewählt wurde. Didaktisch kommen dabei das Kreislaufprinzip (-> Schüler*innen erkennen den Rohstoffkreislauf; sehen Anfangs-, Nutzungs- und Endphase von PBS sowie Entwicklung und Abbau des Produkts -> ökologischer Fußabdruck) und das Blackbox-Whitebox-Prinzip (Schüler*innen sehen nicht nur Anfangs- und Zielmaterial, sondern auch die Zwischenschritte; sie erleben den chemischen Prozess und die Faszination, einen Naturstoff in einen Kunststoff zu wandeln) zum Tragen. Übergeordnetes Ziel ist die Auflösung der anfänglichen Irritation als kognitiv-positive Verknüpfung von Holz und Kunststoff. Zudem soll das Exponat die sinnstiftende Wirkung eines vermeintlich als langweilig bzw. trocken wahrgenommenen Chemie-Schulstoffs in den Fokus rücken und Inspiration sowie Kreativität fördern.

Bilder: Designatelier Rolf Rongen und Shutterstock

© 2021. Dr. Hans Riegel Stiftung