Kurzfristige und pragmatische Förderung von wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Forschung zu Themen der Covid-19-Pandemie
Die gesellschaftlichen Konsequenzen aus der COVID-19-Pandemie werden vielfach als neuartig und ohne Vergleich bezeichnet. Jede*r Bürger*in spürt im privaten wie beruflichen Kontext Veränderungen durch geschlossene öffentliche Einrichtungen, neue Formen der Arbeit und eine generelle Unsicherheit bzgl. der Dimension der Krisensituation sowie der längerfristigen Folgen. Die Dr. Hans Riegel-Stiftung fördert als Ergänzung zu den wichtigen medizinischen Fragestellungen ab August 2020 Forschungsvorhaben aus den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Dadurch soll ein gesellschaftlich relevanter Beitrag zur perspektivischen Aufarbeitung des Geschehens geleistet werden. 21 Forschungsprojekte von Nachwuchswissenschaftler*innen wurden mit insgesamt rund 85.000 Euro gefördert. Im Folgenden drei Beispiele, die das vielseitige Themenspektrum umreißen:
Mit Ausbruch des Covid-19-Virus wurde im Raum Gütersloh anscheinend über mehr Diskriminierungsfälle berichtet. Ähnliche Berichte gab es zuvor auch schon innerhalb und außerhalb Deutschlands.
Die Nachwuchsforscher*innen Dr. Sebastian Sattler, Dina Maskileyson und Alice Escande möchten daher
untersuchen, inwiefern es im Zusammenhang mit Covid-19 zu unterschiedlichen Formen von Stigmatisierungen kommt (dazu zählen negative Stereotypisierungen, negative Emotionen und Diskriminierung im Umgang mit Mitmenschen, die ggf. mit Covid-19 infiziert sind).
“Wir wissen von anderen Infektionskrankheiten, dass Infizierte, aber auch potentiell Infizierte sowie diejenigen, die ihnen helfen (z.B. Familienangehörige) stigmatisiert werden. Dies kann von Schuldzuschreibungen über Wut bis hin zu diskriminierenden Verhalten reichen. Zu solchem Verhalten zählen bspw. Beschimpfungen. Während eines COVID-19-Ausbruchs in Gütersloh wurden sogar Autos mit entsprechenden Kennzeichen zerkratzt. Mit Hilfe der Projektförderung untersucht unser Team deshalb Ursachen hinter solchen Stigmatisierungen, d.h. wer eher stigmatisiert wird und wer eher stigmatisiert. Erste Ergebnisse zeigen unter anderem, dass Personen, die sich mit dem Virus angesteckt haben (unabhängig wie) dafür verurteilt werden, ihnen mehr Ärger entgegengebracht wird und sie beschimpft werden. Zu einer vermehrten Stigmatisierung von GastarbeiterInnen kam es aber nicht. Zudem neigten Frauen, Ältere und Personen mit mehr Wissen über COVID-19 weniger zu Stigmatisierungen.“
– Dr. Sebastian Sattler
„Es bleibt spannend, ob die aktuelle Situation sich auch langfristig auf die deutschen Unternehmen auswirkt. An der Universität haben wir den Einfluss sehr direkt gespürt, jetzt interessiert uns, wie es den Unternehmen ergeht“.
– Toni Müller
Mit Beginn der Covid-19-bedingten Kontaktminimierung, den damit verbundenen Schließungen im Einzelhandel und abrupten Änderungen von Arbeitsweisen in Unternehmen, haben die Nachwuchsforscher*innen Toni Müller, Birte Prinzhorn und Konstantin Brenner sich mit der Frage auseinandergesetzt, welche Faktoren zu einem schnellen Handeln von Unternehmen in der Krise führen.
Sie möchten insbesondere herausfinden, welche Rolle die „Digital Fluency“, also die Einstellung und Fähigkeit in Bezug auf Digitales, von Gründer*innen und Geschäftsführer*innen bei der Anpassung von Geschäftsprozessen und Geschäftsmodellen hat. Die Kontaktminimierung ist hierbei ein geeignetes Ereignis, da durch den externen Schock vor allem digitale Möglichkeiten relevant werden.
„Durch die Krise werden in den Medien verstärkt die Konzepte Globalisierung und Sozialstaatlichkeit diskutiert. Es ist bisher jedoch unklar, ob Menschen, die besonders von der Pandemie auf der wirtschaftlichen, gesundheitlichen und/oder psychischen Ebene betroffen sind dadurch andere Präferenzen gegenüber den oben genannten Konzepten haben, als Individuen, die nicht sonderlich durch die Pandemie beeinträchtigt wurden. In unserem Forschungsprojekt erhalten wir erste Einblicke, indem wir Online Umfragen in Deutschland und Brasilien durchführen. Wir danken der Dr. Hans Riegel-Stiftung für die Forschungsmittel, ohne die dieses Projekt nicht möglich wäre.“
– Franziska Deeg
Führt die Covid-19-Pandemie zu neuen gesellschaftlichen Konditionen in Bezug auf Einstellungen und Präferenzen für Globalisierung/Protektionismus und Wohlfahrtspolitik jenseits des traditionell dualisierten Arbeitsmarktansatzes? Gehen unterschiedliche Ausprägungen der Gefährdung durch die Krise mit einem mehr oder weniger starken Gefühl der globalen Solidarität einher? Diesen Fragen widmet sich ein Nachwuchsforschungsteam um Franziska Deeg mithilfe von Online-Umfragen in Deutschland und Brasilien.