Im Auftrag und unter operativer Mitwirkung der Dr. Hans Riegel-Stiftung hat das „Textile Prototyping Lab“ einen innovativen Fashion-Demonstrator für den TouchTomorrow-Truck entwickelt, der Schülerinnen und Schüler über kreatives und interdisziplinäres Gestaltungspotential für die Zukunftsbranche „Smart Textiles“ begeistern soll.
Bis die smarte Jacke wie im Video von Random Access Studio Berlin funktionierte, musste das dreiköpfige Entwicklungsteam einige kreative und technische Herausforderungen bewältigen. Realisiert wurde das Projekt in drei Phasen: Design, Prototypenentwicklung und Finalisierung. Die Projektsteuerung übernahm Sara Diaz Rodriguez – künstlerische Mitarbeiterin im Forschungskonsortium futureTEX von der weißensee kunsthochschule berlin.
Zunächst fand ein Ideation-Workshop statt, an dem neben den Verantwortlichen des TPL und der Stiftung auch die MINT-Coaches des TouchTomorrrow-Trucks teilnahmen. Sie sind an rund 200 Einsatztagen deutschlandweit an Schulen unterwegs und interagieren auf Augenhöhe mit den Schülerinnen und Schülern – der Primärzielgruppe des zu entwickelnden Smart Textile-Demonstrators. Entsprechend konnten die Coaches viele Zielgruppen-Insights liefern, die von Beginn an bei der Entwicklung berücksichtigt werden konnten. Besonders hervorzuheben waren die folgenden Aspekte:
Daraufhin wurden vom TPL zwei Designvariationen entwickelt und in einem Design Meeting gemeinsam die Entscheidung für eine der Variationen getroffen. Nachdem diese Grundlagen geklärt waren, konnte einerseits die Designerin Ylenia Gortana die Machbarkeit in Form und Schnitt verifizieren und andererseits Kamil Garbacz die grundlegende Elektronik festlegen und Schaltkreise definieren. Technik- und Modedesign-Prototyping mussten Hand in Hand erfolgen, um unnötige Korrekturschleifen zu einem späteren Zeitpunkt zu vermeiden.
Nun kam das TPL Baukastensystem zum Einsatz: Im „Sampling“ wurden elektronische Komponenten, sonstige Materialien und Verarbeitungstechniken festgelegt sowie der Schnitt entwickelt, so dass im Folgenden der erste komplette Aufbau der Jacke inkl. Elektronik für weitere Optimierungsschritte umgesetzt werden konnte. Noch wenigen Iterationen zur Form wurde der Schnitt finalisiert und die elektronische Hardware platziert. Der letzte Prozessschritt bestand aus Kalibrierung der Hardware und Software sowie umfassendem Testing…
Wie im Video zu sehen ist, reagieren die LED auf Bewegungen. Auf diese Weise kann man Farben fließend mischen und erzielt so eine spektakuläre Untermalung der Tanzbewegungen. Die verwendete Technologie ist neben dem Fashion- bzw. Lifestyle-Bereich natürlich auch für andere Einsatzgebiete anwendbar – z. B. für Sicherheit im Arbeitsumfeld oder Straßenverkehr.
Das futureTEX-Umsetzungsvorhaben Textile Prototyping Lab (TPL), welches am 01. Juni 2017 startete, ist ein Forschungsprojekt der fünf Partner weißensee kunsthochschule berlin (khb), Fraunhofer Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM), Textilforschungsinstitut Thüringen-Vogtland e.V. (TITV), Sächsisches Textilforschungsinstitut e.V. (STFI) und Prototypes for Europe e.V. Es zielt auf die Konzeption, Installation und Erprobung eines auf dem Konzept von Open Innovation basierenden Labors für textiles Prototyping ab.
Das TPL bringt die für textile Innovationen wesentlichen Partner frühzeitig zusammen und bindet ausdrücklich Textilgestalter als Impulsgeber für innovative marktfähige Entwicklungen ein. Damit schließt das TPL die Kluft zwischen innovativer Produktidee, Forschung und industrieller Fertigung, die für die herkömmliche textile Produktentwicklung oft ein Hemmnis darstellt.
Das gesamte Projekt steht unter dem Thema: Open Innovation. Dies bedeutet Forschung und Entwicklung unter neuen Vorzeichen. Zumindest ein Grundbestand der für einzelne Akteure relevanten Forschung & Entwicklung wird gemeinschaftlich erarbeitet und über die eigenen Organisationsgrenzen hinweg zugänglich gemacht.
Die folgende Galerie gibt einen Einblick in den Erstellungsprozess des Smart Textile-Demonstrators:
3 Fragen an Ylenia Gortana
Ylenia hat eine Modedesign-Studium in der KHB Weissensee Berlin und ein Objektdesign-Studium an der HSLU Luzern (Schweiz) absolviert. Ihre Schwerpunkte sind Mode, Innovation, Nachhaltigkeit und Vermittlung. Sie betreibt ein kleines Unternehmen „Softskill.Atelier“, das sich mit Nachhaltigkeit sowie mit Vermittlung von Modedesign und Nähen befasst (auf Youtube und in Kursen). Außerdem erstellt Ylenia oneofakind Upcycling Kleidungsstücke.
Ja, z. B. das Bewusstsein für die Arbeit, die in jedem Kleidungsstück steckt. Kaum jemandem ist wirklich bewusst, wie fest wir die Herstellenden unterbezahlen, damit wir so günstig Mode konsumieren können. Durch mehr Wertschätzung und Fairness wird auch der Konsum verändert, da wir fair hergestellte Kleidung nicht in solchen Massen kaufen können, wie wir es mit Billig-Produkten machen können.
In den neuen Technologien bin ich vor allem sehr an den nachhaltigen Materialien interessiert und dem Prozess der Wiederaufbereitung von alter Kleidung/Textilien. Wir müssen uns tatsächlich dringend mit dem textilen Kreislauf auseinandersetzen: Wir sollten nicht wahllos Mischgewebe erstellen dürfen, deren Recycling-Möglichkeiten nicht sichergestellt sind. Sehr bemerkenswert in der Textil-/Modeindustrie ist, dass die meisten Schritte in der Herstellung immer noch von Hand gemacht werden. Es scheint noch nicht möglich zu sein, Maschinen herzustellen, die die menschliche Fertigkeit ersetzen können, die es braucht, um Kleidung zu nähen. Diese Entwicklung bzw. Stagnation beobachte ich mit großem Interesse… (:
Ich interessierte mich schon während des Studiums dafür, Mode und alles, was ich in meinem Modestudium gelernt habe, auf alternative Weise einzusetzen und mit anderen Bereichen zu verbinden.
3 Fragen an Kamil Garbacz
Kamil studierte erst Visuelle Kommunikation an der Universität der Künste in Berlin mit dem Schwerpunkt Neue Medien. Durch die Arbeit an interaktiven Systemen wuchs das Interesse an Software- und Hardwareentwicklung. Um dies zu vertiefen, folgte ein Studium der Elektrotechnik an der Technischen Universität in Berlin, das er mit dem Bachelor abschloss.
Für mich gehen beide Bereiche Hand in Hand. Ein System muss nicht nur in technischer Hinsicht zuverlässig laufen, es sollte auch intuitiv durch den Anwender verstanden werden können. Diese Vereinigung kann manchmal schwierig sein, da Experten beider Bereiche unterschiedliche Herangehensweisen haben. Durch das Studium und den Einblick in beide Fachrichtungen, versuche ich mittlerweile jedes Problem aus diesen beiden Perspektiven zu betrachten und so gut wie möglich eine Balance zu schaffen.
Mathe, Informatik und Kunst waren eindeutig meine Lieblingsfächer. Aber auch privat habe ich mich schon früh für Computer und Technik interessiert. Ich hatte Glück, viele Freunde mit gleichen Interessen gefunden zu haben, denn das gemeinsame Programmieren und Basteln auch außerhalb der Schule hat mich immer angetrieben, irgendwann in diesem Bereich zu arbeiten.
Die Arbeit mit Designern im Allgemeinen ist anders, als was man sonst als Ingenieur im Rahmen einer sehr wissenschaftlichen Herangehensweise kennen lernt. Designer sind in Bezug auf die technische Realisierbarkeit von Lösungen zunächst unvoreingenommener. Probleme werden aus einer anderen Perspektive beleuchtet und so können auch die Lösungsansätze sehr kreativ ausfallen. Das kann sehr erfrischend sein. Spaß macht es dann gemeinsam den optimalsten Weg zu gehen um Technologie, Design und Ästhetik zu vereinen.
3 Fragen an Sara Diaz Rodriguez
Sara ist Designforscherin und künstlerische Mitarbeiterin an der weißensee kunsthochschule berlin. In ihrer Arbeit untersucht sie die Beziehung zwischen traditionellen Textiltechniken und zeitgenössischen Technologien. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf digitalen Fertigungsmöglichkeiten für die Textilherstellung. Seit 2018 arbeitet sie bei DXM als Designforscherin und Expertin für elektronische Textilien im Forschungsprojekt Textile Prototyping Lab. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt in der Analyse und Verbesserung der Textilherstellung und des Prototypings für intelligente Materialien. Sie absolvierte ihren Master of Arts in Textil- und Flächendesign an der weißensee kunsthochschule berlin.
Wir befinden uns derzeit in einer kritischen Situation, in der die Modeindustrie sich verändern muss. „Fridays for Future“ oder die „Who made your clothes?“ sind nur der letzte Aufschrei, um endlich umweltbewusst zu produzieren. Ich bin überzeugt davon, dass die Zukunft der Modeindustrie nur auf recyceltem Material in zirkulärer Produktion überleben wird.
Als Textildesignerin arbeite ich mit unterschiedlichen textilen Konstruktionsmethoden, wie Weben, Stricken, Flechten, usw.. Die Konstruktionsprinzipien von Textilien haben sich seit Jahrzehnten eigentlich nicht viel verändert. Heute können wir viel schneller und effizienter produzieren, aber die Logik bleibt die gleiche: Lose Garne werden zu textilen Flächen angeordnet. Deswegen lassen sich moderne Technologien und traditionelle Textiltechniken problemlos kombinieren, z.B. indem man aus gewebten leitfähigen Garnen Sensoren herstellt oder Lautsprecher mit magnetischen Garnen strickt.
Die aktuelle Textilindustrie in Deutschland sucht kontinuierlich nach neuen Materialien und Funktionen für den Bereich Technischer Textilien – z. B. für medizinische Anwendungen wie Implantate oder Arbeitsbekleidung. Wir befinden uns in einem technologischen Zeitalter, in dem Smart Textiles die Funktionsbekleidung erweitern können. Daher wird es auch weiterhin einen großer Bedarf für Fachkräfte im Bereich Mode und Bekleidungstechnik geben.